Meine Copernicus-Geschichte

Ich lernte Copernicus am Ende 2012 kennen, als ein Student aus unserer Fakultät Rawshan Yormatov, ein Stipendium bekommen hat. Ich habe mich informiert und entschied mich für Berlin zu bewerben. Ich habe eine Absage bekommen. Nach ein paar Tagen habe ich einen Brief von einem Mitarbeiter des Copernicus-Vereins Berlin mit Tipps bekommen, dort schilderte er auch seine Geschichte, er selbst war auch einmal DAAD-Stipendiat und schrieb, dass wir nicht aufgeben müssen. Ich fand es toll, dass er noch darüber nachgedacht hatte uns zu schreiben. Den Brief hat er mit einem Zitat beendet, das mein Lebensmotto geworden ist. Das Zitat lautete: Mut zeitweilig verloren, wenig verloren; Motivation verloren, viel verloren; Hoffnung verloren, alles verloren.

Dann habe ich mich wieder beworben. Wieder eine Absage. Doch habe ich meine Hoffnung nicht verloren und mich wieder beworben und das Ganze schnell vergessen, weil ich sehr beschäftigt war. Dann bekam ich von Copernicus Hamburg einen Brief, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich die erste Etappe geschafft hatte und sie mich zu einem Gespräch einluden. Ich konnte es nicht glauben. Ich war so froh und aufgeregt. Vor dem Gespräch mit unserem Vorstand Rüdiger hatte ich so viel Angst. Das lief aber ziemlich locker und ich habe ihm auch noch meine Zeichnungen gezeigt. Dann hat er gesagt, dass ich ein Stipendium nach Absprache mit der Zeit-Stiftung bekommen kann. Das war schon sozusagen ein „Ja“ für mich. Ich war so froh, dass ich mich beherrschen musste, nicht vor Freude zu tanzen. Der Tanz dann kam natürlich nach dem Gespräch. Ein paar Monaten später war ich schon in Hamburg. Das elegante Hamburg traf mich mit einem kalten Wind bis auf die Knochen.

 

Studium

Das Studium an der Uni war für mich schon ein sehr wichtiger Teil des Programms. Es ist ja kein Geheimnis, dass das Studium hier einen sehr hohen Qualitätsstandard hat. An meiner Uni in Tadschikistan kann man die Fächer nicht selbst auswählen. Hier war es anders. Ich hatte Listen mit interessanten Fächern von Theater bis deutsche Literatur. Alles war für mich neu – tolle Bibliotheken und tolle Dozenten. Mir gefiel besonders, dass das die Dozenten mit Studenten bei Diskussionen auf einer Ebene waren. Ich konnte immer meine Meinung äußern, ohne Angst, ob sie falsch oder richtig ist. Ich habe von deutschen Studenten gelernt, meine Gedanken zu sammeln und zu analysieren, – was ich sehr wichtig finde. Die Unterrichte bestanden nicht nur aus Theorie sondern auch aus Praktikumseinheiten. An einem Seminar beschäftigten wir uns mit Werken von Kirsten Boie. Am letzten Seminar kam Kirsten Boie auch selbst und führte mit der Gruppe ein Gespräch. Das war für mich wie ein Wunder. Natürlich hatte ich auch Ängste und Stress vor Prüfungen. Doch habe ich sie bewältigt. Das war eine sehr wichtige Erfahrung in meiner Ausbildung.

 

Das Leben in Gastfamilien

Im Laufe dieser 6 Monate durfte ich sogar bei zwei Gastfamilien wohnen. Meine Gastfamilien waren sehr unterschiedlich und beide sehr toll. Ich sage immer, ich hatte doppeltes Glück. Meine erste Gastfamilie Lehmkuhl besteht aus Gastmutter und Gastvater. Auch jetzt, wenn ich darüber schreibe, lächele ich, weil das wirklich eine tolle Zeit war. Was konnten wir besonders gut? Viel lachen und diskutieren. Ich kenne sie gut. In meiner Erinnerung habe ich immer dieses Bild: wie mein Gastvater klassische Musik hört und Zeitung liest, während meine Gastmutter in der Küche die Bücher über Gesundheit durchblättert, oder wie wir zusammen sprechen und Tee trinken. Wahrscheinlich wird meine Gastfamilie beim Lesen dieses Satzes lächeln. Diesen Witz verstehen nur wir. Wir verbrachten viel Zeit zusammen. Meine Gastmutter war für mich wie eine gute Freundin. Ich konnte alles – auch meine kleinen Geheimnisse erzählen, sie versteht mich immer sehr gut. Doch anderseits war sie für mich Mutter. Sie wusste, dass ich nachts spät komme, und ließ für mich Licht an, morgens lagen auf dem Tisch Obst und Nüsse. Mein Gastvater und ich haben eine Gemeinsamkeit: die große Liebe und Leidenschaft zur klassischen Musik, zur schönen traumhaften Welt der Musik. Wir tauschten unsere Meinungen aus und besuchten Konzerte. Wie sagte mein Gastvater: „Schön, dass wir zusammen unsere Freude teilen.“ Eines Tages kam ich nach Hause und es warteten auf mich Geschenke – an einem ganz gewöhnlichen Tag! Das waren CDs, Geschenke von meinem Gastvater, ich kann es auch nicht beschreiben, wie froh ich war. Das war die erste Familie.

Meine zweite Gastfamilie besteht aus einer Gastoma, ich nenne Sie inzwischen auch so, einfach „Babulya“. Meine Gastoma ist eine unabhängige, starke, wunderschöne, sehr gebildete Frau. Sie hat mich immer gut verstanden und hat einen besonders tollen Humor, die ich sehr mag und schon vermisse. Sie zeigte mir nicht ihre Verhältnisse durch Wörter. Aber sie ließ immer auf dem Herd noch Essen und ein paar Kekschen und Schokolädchen nachts – sie kannte meine versteckte Leidenschaft zu Süßigkeiten. Das war sehr angenehm und rührend. Wir brauchten nicht besonders viele Worte, wir haben uns auch wortlos toll verstanden. Alles was sie für mich getan hat, war mit Liebe. Das sagten mir ihre Taten. Frau Lüdecke hat ein tolles Haus, wo ich mich wohl, ganz wie bei mir zu Hause fühlte. Sie schenkte mir Tickets für Neumeiers Ballett „Möwe“, das war ein Traum. Und ganz am Anfang sagte sie mir:“ Ich werde dich nicht verwöhnen, Shahnoz“. Aber hat sie doch.

Diese Zeit ist für mich ein großes Geschenk. Es ist unmöglich in einem Brief unsere Beziehungen, unsere Freundschaft zu beschreiben.

 

 

Praktikum

Vom Anfang an wusste ich bestimmt: Deutschland schenkt mir viel und ich muss etwas zurückgeben. Ich wollte im Bereich mit Flüchtlingen ein Praktikum machen. Ich hatte Glück und unser Vorstand hat mir ein Praktikum empfohlen. Ohne mir weitere Gedanken zu machen war ich einverstanden, und das war genau das Richtige für mich. Ich habe mein Praktikum im Projekt der Alraune gGmbH, dem Projekt „Moin“ gemacht. Meine Aufgaben bestanden darin, die Geflüchteten beim Deutsch lernen zu unterstützen, beim Übersetzen usw. Unsere Teilnehmer stammten aus Eritrea, Syrien, Afghanistan und dem Irak. Das waren tolle Menschen. Ich habe etwas für mich ganz Neues entdeckt: das Land Eritrea und dessen Kultur. Ich war und bin immer noch erstaunt, was für einen langen und schwierigen Weg diese Menschen überwinden, um in Frieden zu leben und wie es ihnen noch schwer fällt, sich im fremden neuen Land ohne Familien einzuleben. Aber noch mehr inspirierten mich die Deutschen, die so verständnisvoll und hilfsbereit und aufgeschlossen zu Neuankömmlingen sind. Das ist unglaublich. Das war ein sehr tolles Praktikum und ich hatte die besten Kollegen – die mich immer unterstützt hatten und von denen ich noch sehr viel gelernt habe. Das war ein wunderschönes Team.

Vor meiner Reise nach Deutschland habe ich immer gesehen, dass in Deutschland so viele Flüchtlinge sind, die sich so schlimm benehmen. Sogar meine Bekannten sagten, „du wirst jetzt Deutschland nicht mehr wieder erkennen“. Das war absolut falsch. Als ich nach Deutschland gekommen war, habe ich dunkele Menschen mit schwarzen Haaren wie ich gesehen, die ganz ordentlich und nett waren. Niemand hat mich hier beleidigt, sondern im Gegenteil ich habe immer Unterstützung bekommen und noch von einem syrischem Freund ein Ticket fürs Konzert in Elbphilharmonie „Salam Syrien“.

 

Erfahrungen

Erstens habe ich mich in Deutschland sehr wohl als Frau gefühlt. Ich habe hier klar gesehen die Nachteile und Vorteile meiner Gesellschaft. Ich habe mich schon immer für die europäische Kultur interessiert, das war für mich so eine tolle Möglichkeit das deutsche Volk und die deutsche Kultur kennenzulernen. Natürlich habe ich auch hier Nachteile gesehen. Hier gibt es starke Konkurrenz und manchmal schien es mir, dass die Menschen das schöne Leben verpassen. Doch ich habe mich hier sehr wohl gefühlt und es kam ein Moment, in dem Deutschland mein zweites Zuhause geworden ist. Ich habe mich hier wie ein Fisch im Wasser gefühlt. Meine Deutschlanderfahrung ist ein sehr wichtiger Punkt in meinem Leben, etwas, was meine Weltanschauung geändert hat. Ich habe meine rosarote Brille abgesetzt und die Realität gesehen – die mir auch manchmal streng schien. Doch bin ich in diese Realität und in dieses Leben verliebt. Jetzt kehre ich voll mit Energie und neuen Informationen ins mein Heimatland zurück, in mein Tadschikistan – das mein Herz und Seele ist, wo es viel zu tun gibt und wo ich meinen eigenen Beitrag leisten will.

 

Zum Schluss will ich sagen, dass nicht nur ich diese neue Shahnoz gestaltet habe, sondern auch die Zeit-Stiftung- die meinen Aufenthalt finanziert hat, meine Gastfamilien, das Copernicus-Team, die Stipendiaten und auch meine deutsche Freundin Edda Schlager, die mich schon am Anfang unterstützt hat. Ein großes Dankeschön Ihnen allen!