Die letzten Wochen und Tage vor meiner Reise nach Deutschland vergingen für mich sehr schnell. Man will doch noch allen, die einem am Herzen liegen, nochmal einen Besuch abstatten, sie nochmal zu treffen, bevor man dann für Monate weg sein wird. Man will noch ein letztes Mal durch Straßen schlendern, nochmal am Marktplatz heiße Schokolade trinken, nochmal einen Sommertag im Park zu verbringen, wo man doch schon so oft da war. Aber mit dem Wissen, dass man nun für ein halbes Jahr woanders sein wird, versucht man doch sein Leben einigermaßen zu pausieren. Auch um Platz für Neues zu schaffen. Und mit jeder Stunde kommt der Tag der Abreise unaufhaltsam auf einen zu. Und gleichzeitig wird der Kampf der eigenen Gefühle immer komplexer. Die Freude und Vorfreude auf das kommende Semester wachsen stätig, bis sie kaum zu bändigen sind. Aber noch werden sie von der Ungewissheit im Schach gehalten. Und dann kommt, eigentlich unerwartet, überraschend, der Tag wo man die Reise ins bekannt unbekannte antretet. Man hat sich doch im Voraus bestmöglich vorbereitet, aber wird es vor Ort tatsächlich auch helfen? Trotz alledem wusste ich damals noch nicht, dass dieser Tag zu einer Zäsur in meinem Leben wird.
Als ich in Hamburg ankam, waren alle Gefühle, die in letzter Zeit alle um meine Aufmerksamkeit rangen, weg. Ich selbst habe es so nicht erwartet, eher das Gegenteil davon. Es blieb nur die Gleichgültigkeit, ob der Müdigkeit geschuldet oder als innere Vorbereitung auf das was kommt. Und dann kam mein Gastvater Norbert. Er wurde mir zu einem geschätzten Begleiter und Ratgeber, der alle Erwartungen übertraf, die ich im Voraus an ihn stellen konnte. Es folgte die erste Fahrt durch die Straßen Hamburgs. Ich habe breite Straßen erwartet, mit Hochhäusern links und rechts. So sollte in meiner Vorstellung die größte Stadt Europas, die keine Hauptstadt ist, sein. Davon war aber die Realität weit entfernt. Was ich vorfand war eine gemütliche Stadt, voller kultureller Angebote.
Der Start in Hamburg verlief reibungslos. Es dauerte nicht lange, da erkannte ich, dass der Copernicus-Verein an allen Ecken und Kanten punkten kann. Alle hier zeichnen sich durch ihre Offenheit, Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit, Hilfsbereitschaft aus. Nicht, dass ich das Anhand meiner Recherchen und dem Kontakt im Vorfeld nicht im Voraus geahnt hätte, aber man muss es schon selbst erlebt haben. Für meine anfänglichen Sorgen und die Ungewissheit was auf mich zukommt, blieb ab da kein Platz mehr. Jetzt wusste ich, ich kann jederzeit auf Unterstützung zählen. Nur die deutsche Bürokratie zeigte sich nicht von ihrer besten Seite. Als Beispiel soll hier dienen, dass ich im ersten Monat so viele Briefe bekommen habe wie noch nie im meinem ganzen Leben. Ich würde darüber schmunzeln, wenn es sich bloß nicht um wichtige Unterlagen gehandelt hätte, die immer länger brauchten um anzukommen.
Dieses Semester, währenddessen ich an der Universität Hamburg dank des Copernicus-Stipendiums studieren konnte, bildete die intensivsten Monate in meinem bisherigen Leben. Da war kein Gefühl von Pausieren mehr vorhanden. Intensivität bedeutet hier nicht nur Anstrengung. Die war natürlich auch ausreichend vorhanden bei meinem immerzu vollen Terminkalender. Sie bedeutet vor allem viele neue Eindrücke. Sie führen nicht selten dazu, dass man danach die Welt mit anderen Augen sieht. Diese Prozesse verlaufen zwar schleichend, aber man kann sie trotzten spüren. Jetzt, wo ich das letzte halbe Jahr reflektiere, wird mir erst so richtig bewusst, wie sehr man sich doch, innerhalb dieser, doch kurzen, Zeitperiode, weiterentwickeln kann. Es sind die Gastfamilien, die Stipendiaten, das ganze Copernicus-Team, die Universität, die Arbeitskollegen, die Kommilitonen und noch viele mehr die dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Die Möglichkeit an der Universität Hamburg zu studieren, gab mir die Gelegenheit Einblicke in eine andere Arbeitsart zu sammeln. Ich studiere Informatik und da wird an meiner Heimatuniversität viel Einzelarbeit erwartet. Es gibt jede Woche Aufgaben oder Aufgabenblätter die alleine gelöst werden müssen. Hier habe ich aber einen ganz anderen Ansatz erlebt. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass man gemeinsam Aufgaben löst. Dadurch wird der Austausch gefördert, der bei der Wissenschaft und der persönlichen Wissensgewinnung schließlich so eine entscheidende Rolle spielt. Man kommt so auf Ideen, die einem alleine nie gekommen wären. Objektiv macht man dann schon weniger alleine, aber es kommt doch nicht nur darauf an. In Gruppenarbeit lernt man eigentlich viel mehr, weil man die Gelegenheit hat anderen etwas zu erklären oder erklärt zu bekommen. Am Ende kommt man, nicht nur in der Wissenschaft, zusammen doch weiter als ganz alleine. Gleiches gilt für die Berufswelt in der ich in Hamburg meine ersten Erfahrungen sammeln durfte. Da ist auch Teamwork angesagt. Oder bei gemeinsamen Reisen oder Kochen. Eigentlich verleihen doch andere Menschen unserem Leben den letzten Feinschliff. Da sollte man lernen wie man gemeinsam Probleme meistert oder eine bloße Arbeitsaufteilung durchführt. Durch das Copernicus-Stipendium werden all diese Eigenschaften gefördert und es wird ein angemessener Rahmen für deren Weiterentwicklung geschaffen.
Ich möchte am Schluss noch ein großes Dankeschön an das ganze Copernicus-Team und natürlich an meinen Gastvater aussprechen. Ihr verleiht dem Programm eine Seele, macht es lebendig und schafft es, dass man sich auch weit weg vom eigentlichen Zuhause doch heimisch fühlt.