Nun erzähle ich meine COPERNICUS-Geschichte – eine ganz besondere, einzigartige Geschichte seit der Gründung des Stipendienprogramms des COPERNICUS e.V.
Meine Gastfamilie
Alles beginnt damit, dass mein süßer kurzer Schlaf unterbrochen wird. Einige Passagiere am Bord klatschen vor Freude energisch in die Hände. Das heißt, unser Flugzeug sei gelandet. Eine neue Welt öffnet sich vor mir, wonach ich immer gestrebt habe: Welt der Freiheit, der Ideen, der Entwicklung. Mit optimistischen Gedanken verlasse ich das Flugzeug und suche nach dem von den Briefen vertraut gewordenen Gesicht – nach meinem Gastvater.
„Es scheint, dass wir uns schon lange kennen!“ – freut sich ein ganz herzensguter und gütiger Mensch, der wohl lange auf das unpünktliche Flugzeug gewartet haben soll, und zeigt sofort seine „Vatersliebe“, die sich nicht beschreiben lässt.
Auf dem Heimweg, wo meine neue Mutter auf mich wartet, schaue ich auf die Straße, wo viele Autos und Leute es eilig haben, das Hamburger Fußballspiel zu sehen, obwohl ich kaum Ahnung habe, was es passiert. Gleichzeitig höre ich die Fragen meines Gastvaters und versuche sie mit meiner ungeschickten und schlechten deutschen Sprache zu beantworten … Die Fragen sind sehr gemischt, drehen sich um die Weltpolitik und enden mit dem Leben in Usbekistan. Ich versuche, Fragen zu beantworten und mir das ganze Bild zu merken, das sich bald in meinem Tagebuch widerspiegeln wird.
– Hast Du bereits ein Rückticket nach Usbekistan gekauft? – lautet eine weitere Frage.
– Ja, ich fliege am 26. März nach Hause zurück, so Gott will… Ich habe keine anderen Tickets gefunden, so bin ich später als alle anderen Stipendiaten gekommen und fliege auch am frühesten zurück. – versuche ich es ihm zu erklären.
– Und wenn wir dich nicht zurückfliegen lassen? Wenn wir dich bei uns behalten wollen?
… So ist es auch geschehen. Ich bin hier geblieben… Gedanken sind materiell.
Sonntag, den 15.03. – Schon zum zweiten Mal ist mein Flug ins Heimatland ausgesetzt… Erwartungen; Hoffnungen, Wünsche scheinen auf einmal nichtig geworden zu sein und sind an einem Tag durch Heimweh, Angst und Panik ersetzt… Ich sitze nun vor meinem Bildschirm und zwinge mich selber ein bisschen vom Problem einer neuen, völlig unerwarteten Pandemie abzulenken und mich nur an das Gute zu erinnern, um einen kleinen Hauch von Hoffnung zu riechen. Coronavirus, das die ganze Welt durcheinandergebracht hat, versucht nun, auch in mein persönliches Leben einzugreifen, in ein Leben, worum ich bisher kämpfen musste, um endlich mal mein echtes „Ich“ zu finden, zu spüren. Mein Gehirn schaltet sich aus und ich verstehe nicht, was ich tun soll. Ich kann in dem Moment meine Tränen nicht aufhalten. Aber nach einer Weile spüre ich etwas auf meinen Schultern – die Hand meines Gastvaters als Zeichen dafür, dass ich nicht alleine bin. „Wir sind deine Familie! Du hast hier uns! Wir klären das Problem zusammen“ – höre ich meinen Gastvater trösten und weiß, genau diese Menschen brauchen nichts von mir. Im Gegenteil – die schenken gern. Sie schenken ihre Zeit, ihre Hilfe, ihre Liebkosung und all das, was wir unter Elternliebe verstehen.
Tägliches Pausenbrot unbedingt mit Rindfleischwurst und Banane, sodass man sein Mittagessensgeld sparen kann; Winterpelzpantoffeln, als Zeichen dafür, dass man sich sogar um die Wärme deiner Füße denkt; kleine Zettel mit meinem Kosenamen zu jeder kleinen unerwarteten Überraschung; süße Marzipankartoffeln, die niemals enden und immer neu aufgefüllt werden … Diese Liste ist unmöglich zu beenden, kann man weiter unendlich fortsetzen. Mein Glück liegt in diesen kleinen Dingen in meiner deutschen Familie, wozu ich auch nun gehöre…
Mein Studium
-Gulya, willst Du deinen ersten Studientag verpassen? – taucht an einem Montagmorgen eine Nachricht auf meinem Handy auf. Was? Schon angefangen? Meine Freundinnen, auch die anderen Stipendiatinnen, stellen mir eine Falle, worauf ich natürlich auch hereinfalle… Hier ist die Rede von einer freiwilligen Probewoche, die nach der Willkommenswoche folgt (wo man kleine Willkommensgeschenke von der Universität bekommt und sich mit den Regeln des Studieninfonetzes (STINE) vertraut macht). Dadurch, dass die Probewoche selbst auch immer so umfangreich ist, hat man die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Fächern, die gerade in der ersten Woche unverzüglich die Studenten anzulocken versuchen. Diese Studienfächer sind meistens mit allerlei komischen, langen Namen, die selbst die Herausforderung darstellen, richtig interpretiert zu werden, z.B. eines solcher Studienfächer heißt: „Zwischen Repression, Resignation, Re-Politisierung: Zivilgesellschaftliches Engagement gegen autoritäre Transformationen in der EU“. Na, wer kann mir es mit einem Wort erklären? Obwohl meine Richtung rein politikbezogen ist, bin ich völlig ratlos, aber merke, dass ich genau dieses Fach wählen muss. Weiterhin folgen auch meiner Wahl nach solche seltenen, einzigartigen Fächer, die es in meiner Heimat nicht gibt.
Meine Wahl bereue ich nie, im Gegenteil, selbst das Schuften und das Ackern haben mich zu einer ganz anderen Person gemacht. Ich bin natürlich davon überzeugt, dass auch die anderen Fächer genauso intensiv durchgeführt werden. Für einen selbstsicheren Menschen, der sehr hyperaktiv ist und es gerne hat, überfordert zu sein, scheint das Studium am Anfang ganz leicht zu sein. Aber dann begreift man, dass die Universität der Forschung, der Lehre, der Bildung (wie man die Universität Hamburg so beschreibt) den Studenten nicht einfach gehen lässt, ohne dass man einen reichen Fundus an Wissen und Erfahrungen erworben hat.
Meine Praktikumsgeschichte
Wenn man im Leben so viele Male scheitert, nimmt man auch die weiteren Misserfolge nicht so ernst, weil man sich dadurch gegen die weiteren Lebensproben „abhärtet“. Wenn man aber kaum so große Misserfolge erlebt, wenn man es gewohnt ist, immer zu gewinnen, aber auf einmal von einem winzigen Misserfolg tief getroffen wird, dann scheint es, als ob eine Welt für einen einstürzt.
Mein einziger Stolperstein auf dem Weg nach beruflicher Erfahrung ist genau meine Bewerbung. Auch wiederum klappt es nicht – eine weitere Absage „schmückt“ nun auch meine Mail. Auf einmal bin ich sogar bereit, aufzugeben. «Weiterbewerben, niemals aufgeben“ – höre ich aber Rüdigers Worte in meinen Ohren klingeln.
Dank hilfsbereiten Menschen schaffe ich sogar zwei Praktika zu finden: am Institut für Asien-Studien von GIGA (German Institute of Global and Area Studies) und in der Geschäftsstelle der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Vormittags beeile ich mich rasch zur Morgenversammlung zum einen Praktikumsplatz, nachmittags wartet auf mich der andere Ort an einer anderen Ecke von Hamburg. Aber niemandem würde ich empfehlen, zwei Praktika gleichzeitig zu machen, es sei denn, man fängt mit dem zweiten Praktikum nur an, wenn man mit dem ersten fertig ist.
Mein Copernicus
Kann man Wärme beschreiben? Und Hoffnung? Und Liebe? – COPERNICUS umfasst diese und noch mehr Eigenschaften, die man kaum beschreiben kann. Dieses Gute taucht als Abbild einer ungewöhnlichen besonderen Familie von mehreren internationalen Menschen auf, wo jeder auf seine besondere Art und Weise ein kleines Stückchen eines ganzen Systems namens COPERNICUS darstellt: gutherziger und immer hilfsbereiter Rüdiger, sehr begabte und mitfühlende Zarina, charmante und aufgeschlossene Lili, pünktliche und zuverlässige Karina und andere netten, einfühlsamen Aktiven Faina, Viki, Nastja, Maria, Viktoriya, Salim und noch viele anderen – ihr seid das Fundament, worauf unser ganzes COPERNICUS-Gebäude errichtet wurde und immer noch stolz steht. „Strebsame Studierende brauchen mehr als Geld, wir bieten ihnen Chancen,“ – lautet das Hauptmotto des COPERNICUS und entspricht völlig der Realität.
Natürlich wird es eine Sünde sein, unsere Förderer, besonders die Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, nicht zu erwähnen, die unsere Ziele verwirklicht haben und mich persönlich sogar in dieser turbulenten Quarantänezeit weiterhin unterstützen.
Mein Bericht ist zwar lang, aber nicht wirklich genug all meine Herzensergüsse und Eindrücke auszudrücken. Es ist schon April, ich bin aber immer noch hier – warm, satt und vor allem ruhig, obwohl die Welt um mich herum auf den Kopf gestellt wurde. Aber ich bin nicht allein – ich habe COPERNICUS und meine Geschichte geht weiter…